Eigentumsvorbehalt bei grenzüberschreitender Lieferung nach Belgien

Marco Wirtz
Rechtsanwalt

Häufig werden Endprodukte (z.B. eine Maschine) aus Teilen hergestellt, die von einem ausländischen Lieferanten geliefert werden. Diese Lieferanten behalten sich in der Regel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Eigentum vor, um sich vor Zahlungsausfällen zu schützen. Der Eigentumsvorbehalt schiebt den Eigentumsübergang bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises auf. Damit wird sichergestellt, dass der Lieferant über die gelieferte Ware verfügen kann, wenn der Kunde nicht zahlt. Der Eigentumsvorbehalt ist daher ein wichtiger Schutzmechanismus im Handel.

Aber was passiert mit dem Eigentumsvorbehalt, wenn Sie Waren grenzüberschreitend nach Belgien liefern? Bleibt der Eigentumsvorbehalt bestehen?

1.Allgemeines

Am 1. Januar 2018 haben sich die Regeln des Eigentumsvorbehalts in Belgien mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Pfandrecht grundlegend geändert. Unter Eigentumsvorbehalt versteht man nach belgischem Recht eine Vereinbarung zwischen dem Verkäufer (Vorbehaltsverkäufer) und dem Käufer einer beweglichen Sache, nach der das Eigentum an der Sache trotz Lieferung an den Käufer bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises beim Verkäufer verbleibt. Der Verkäufer kann also die Herausgabe der Ware verlangen, wenn der Käufer den Kaufpreis nicht bezahlt.
 
Neben dem „normalen“ Eigentumsvorbehalt (Beispiel: der Lieferant kann den gelieferten Motor zurückfordern, wenn der Kunde den Motor nicht bezahlt) gibt es zwei weitere Formen des Eigentumsvorbehalts.
 
  • Zum einen gibt es den „verlängerten“ Eigentumsvorbehalt, bei dem der Eigentumsvorbehalt auf die Produkte (Maschine) ausgedehnt wird, die mit dem gelieferten Gegenstand (Motor) hergestellt werden. Wenn der Kunde den Motor nicht bezahlt und der Motor bereits in eine Maschine eingebaut ist, kann der Lieferant sein Eigentum an der Maschine geltend machen.

  • Auf der anderen Seite gibt es den „erweiterten“ Eigentumsvorbehalt, bei dem sich der Eigentumsvorbehalt nicht auf die Forderungen aus der gelieferten Sache (Zahlung des Kaufpreises für den Motor) beschränkt, sondern sich auch auf andere Forderungen zwischen den Parteien erstreckt. Beispiel: Selbst wenn der Kunde die separat gelieferten Bremsen nicht bezahlt, kann der Lieferant sein Eigentum an dem gelieferten Motor geltend machen.
 
Je nachdem, welches Recht auf die Beziehung zwischen den Parteien anwendbar ist, kann der Eigentumsvorbehalt in bestimmten Situationen geltend gemacht werden oder nicht. Wenn Sie Waren grenzüberschreitend liefern, ist es daher wichtig, diese Unterschiede bei der Gestaltung Ihres Vertrags oder Ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen.
 
Dabei ist zu beachten, dass nach belgischem Recht der Eigentumsübergang bereits mit Abschluss des Kaufvertrages erfolgt. Es ist lediglich erforderlich, dass eine Einigung über die Ware und den Preis der Ware erzielt wurde bzw. im Falle eines Gattungskaufs eine Konkretisierung stattgefunden hat. Die im deutschen Rechtssystem bestehende Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft gibt es im belgischen Recht somit nicht. Mit Abschluss des Kaufvertrages gehört der Kaufgegenstand grundsätzlich nicht mehr zum Vermögen des Verkäufers. Der Eigentumsübergang kann jedoch von Bedingungen wie dem Eigentumsvorbehalt abhängig gemacht werden.

2. Form

Ein Eigentumsvorbehalt muss spätestens bei Lieferung der Ware schriftlich vereinbart werden. Der Eigentumsvorbehalt kann z.B. in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden. Eine Unterschrift des Käufers ist nicht erforderlich, da eine stillschweigende Zustimmung ausreicht. Nur wenn ein Eigentumsvorbehalt gegenüber einem Verbraucher vereinbart wird, muss sich dessen Zustimmung aus einem Schriftstück ergeben, z.B. aus der Unterschrift des Verbrauchers.

Der Eigentumsvorbehalt muss nicht eingetragen werden, um Dritten gegenüber wirksam zu sein, es sei denn, die Vorbehaltsware wird mit einem Grundstück zu einer unbeweglichen Sache verbunden. Nur in diesem Fall ist eine Eintragung zur Erhaltung des Eigentumsvorbehalts erforderlich.

3. Geltungsbereich

Das Pfandrechtsgesetz hat den Eigentumsvorbehalt insofern erweitert, als es den Eigentumsvorbehalt wirksam werden lässt
  • unabhängig davon, ob das Recht des Vorbehaltsverkäufers mit einem anderen Gläubiger des Käufers konkurriert, 
  • unabhängig von der juristischen Art des Vertrags, in dem der Eigentumsvorbehalt enthalten ist, und 
  • unabhängig davon, ob die Ware in natura vorhanden ist.

3.1 Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts bei Konkurrenz mit anderen Gläubigern

Die alte Regelung ging davon aus, dass der Eigentumsvorbehalt nur in einem Kaufvertrag vereinbart werden kann, was bei gemischten Verträgen (Dienstleistung + Warenlieferung) zu erheblicher Rechtsunsicherheit führte. Diese Rechtsunsicherheit wurde nun beseitigt, da Art. 69 des Pfandrechtsgesetzes vorsieht, dass die Vorschriften über den Eigentumsvorbehalt „unabhängig von der Rechtsnatur des Vertrages“ gelten. Folglich wurde der Eigentumsvorbehalt auf alle Arten von gegenseitigen Verträgen ausgedehnt, die eine Lieferung beinhalten.

3.2 Die juristische Art des zugrunde liegenden Vertrages ist nicht relevant

Ursprünglich war der Eigentumsvorbehalt nur in Art. 101 des Konkursgesetzes enthalten, so dass der Kassationshof davon ausging, dass der Eigentumsvorbehalt nur im Konkursverfahren geltend gemacht werden kann. Artikel 101 des Konkursgesetzes wurde jedoch inzwischen aufgehoben und die Bestimmungen über den Eigentumsvorbehalt wurden in das Zivilgesetzbuch (ZGB) aufgenommen. Damit hat der Eigentumsvorbehalt nun auch Drittwirkung und kann in allen Konkurssituationen geltend gemacht werden, z.B. bei einer Pfändung der gelieferten Ware.

3.3 Folgen bei Verarbeitung, Weiterveräußerung, Vermischung oder Inkorporation

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Pfandrecht sieht das belgische Recht nunmehr einen verlängerten Eigentumsvorbehalt vor.

So geht der Eigentumsvorbehalt im Falle der Weiterveräußerung auf die an seine Stelle tretende Forderung über, sofern diese identifizierbar ist (Art. 9 und 70 des Pfandrechtsgesetzes). Der gutgläubige Dritterwerber wird durch Art. 3.28 ZGB geschützt, wobei der gute Glaube des Dritterwerbers nach Art. 3.22 ZGB vermutet wird.

Auch bei Vermischung von Waren bleibt der Eigentumsvorbehalt bestehen, obwohl die Waren nicht mehr identifizierbar sind (Art. 20 und 70 Pfandrechtsgesetz).

Im Falle der Verarbeitung der Ware (Motor) durch den Käufer geht der Eigentumsvorbehalt auf das daraus entstehende Produkt (Maschine) über (Art. 18 und 70 Pfandrechtsgesetz). Bei Nichtzahlung des Kaufpreises für den gelieferten Motor kann sich der Lieferant dann auf seinen Eigentumsvorbehalt an der Maschine berufen. Werden jedoch Waren des Käufers oder Dritter mit den Waren des Vorbehaltsverkäufers verbunden, so geht der Eigentumsvorbehalt an den neu entstandenen Waren nur insoweit über, als die Waren des Vorbehaltsverkäufers den größten Wert haben.

Schließlich bleibt der Eigentumsvorbehalt auch dann bestehen, wenn die Vorbehaltsware durch Inkorporation zu einer unbeweglichen Sache wird, sofern der Eigentumsvorbehalt im Pfandregister eingetragen ist (Art. 70 und 71 Pfandrechtsgesetz).

3.4. Kein erweiterter Eigentumsvorbehalt

Im Gegensatz zum deutschen Recht ist es im belgischen Recht nicht möglich, einen erweiterten Eigentumsvorbehalt zu vereinbaren. Der Eigentumsvorbehalt kann daher nur als Sicherheit für die Zahlung des Kaufpreises für die gelieferte Sache, auf die sich der Eigentumsvorbehalt bezieht (Motor), dienen, nicht aber für andere Forderungen zwischen den Parteien. Nach belgischem Recht ist es beispielsweise nicht möglich zu vereinbaren, dass das Eigentum an dem gelieferten Motor zurückverlangt werden kann, wenn eine andere Lieferung (z.B. Bremsen) nicht bezahlt wird.

4. Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts im Insolvenzverfahren

Das Recht des Vorbehaltsverkäufers, die im Besitz des Schuldners befindliche Ware heraus zu verlangen, wird durch ein Konkursverfahren nicht berührt. Wenn Sie sich jedoch im Rahmen eines Konkursverfahrens auf den Eigentumsvorbehalt berufen wollen, ist es wichtig, dies rechtzeitig anzuzeigen. Gemäß Artikel XX.194 Wirtschaftsgesetzbuch unterliegt die Herausgabeklage einer strengen Frist und muss der Verkäufer seinen Herausgabeanspruch im Konkursverfahren spätestens am Tag vor der Hinterlegung des ersten Protokolls zur Prüfung der Forderungen geltend machen. Dieser Tag wird gemäß Artikel XX.104 Wirtschaftsgesetzbuch im Eröffnungsbeschluss festgelegt und liegt in der Regel zwischen 5 und 30 Tagen nach Ablauf der Erklärungsfrist, die ihrerseits grundsätzlich höchstens 30 Tage ab Konkurseröffnung beträgt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es für die Geltendmachung der Forderung ausreicht, wenn der Gläubiger seine Absicht, sich auf den Eigentumsvorbehalt zu berufen, dem Insolvenzverwalter vor Ablauf der genannten Frist ausdrücklich mitgeteilt hat.

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