E-Commerce in Belgien: Vorschriften bei der Umsatzsteuer

Thomas Hermie
Steueranwalt

E-Commerce-Unternehmen aus Deutschland, die in Belgien handeln möchten, sollten die belgischen und europäischen Umsatzsteuerregelungen für die Branche des Onlinehandels im Blick haben. In diesem Artikel möchten wir deutschen Onlineverkäufer 6 Vorschriften für die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) in Belgien vorstellen, die für die E-Commerce-Branche wichtig sind.

Warum deutsche E-Commerce-Unternehmen in Belgien verkaufen

Belgien ist für E-Commerce-Unternehmen aus Deutschland ein attraktiver Markt. Hierfür gibt es mehrere Gründe:

  • Hohe Kaufkraft: Belgien ist ein Land mit einer stabilen Wirtschaft, einer hohen Kaufkraft und einer wohlhabenden Bevölkerung. Zudem nutzt es den Euro als Währung.
  • Gute Logistik und Infrastruktur: Belgien ist ein direktes Nachbarland von Deutschland. Es liegt attraktiv gelegen zwischen wichtigen Märkten (Niederlande, Frankreich, Vereinigtes Königreich) und hat eine hervorragende Transportinfrastruktur mit Antwerpen als zweitgrößten Hafen Europas.
  • Sprachen: Die meisten Bewohner Belgiens sprechen Französisch oder Niederländisch. Sie können als E-Commerce-Unternehmen deshalb in vielen Bereichen des Kundenkontakts auf Ressourcen Ihres Onlinehandels in Frankreich und den Niederlanden zurückgreifen.

1. Keine Umsatzgrenzen bei Fernverkäufen im B2C: Umsatzsteuer-Land des Kunden fällig

„Fernverkäufe” sind Warenverkäufe an Nichtunternehmer (B2C-Geschäfte), wenn die Waren durch oder für Rechnung des Verkäufers aus einem anderen EU-Mitgliedstaat (z.B. Deutschland) versandt werden als dem, in dem die Beförderung zum Käufer endet (z.B. Belgien).

Vor 2021 gab es in Belgien, wie in anderen EU-Mitgliedsstaaten, noch Umsatzgrenzen auf solche Fernverkäufe. Unter der alten Regelung durfte der Verkäufer auf diesen grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Fernverkäufen weiterhin die Umsatzsteuer seines Ansässigkeitsstaates berechnen, solange sein jährlicher Umsatz im Mitgliedstaat des Käufers einen bestimmten Schwellenwert nicht überschritt. Damals waren es 35.000 EUR nach belgischem Umsatzsteuerrecht.

Wie in allen EU-Ländern wurde diese Lieferschwelle auch in Belgien in 2021 abgeschafft. Übersteigt der innergemeinschaftliche Europaweite (einschließlich z.B. deutsch-belgische) Umsatz des Verkäufers aus Fernverkäufen (dem noch Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie elektronisch erbrachten Dienstleistungen hinzuzufügen sind) den jährlichen Schwellenwert von 10.000 EUR, muss er dem B2C-Kunden sofort die Umsatzsteuer des Mitgliedstaates des B2C-Kunden in Rechnung stellen.

2. Das europäische Steuerportal OSS ermöglicht die Vermeidung lokaler Mehrwertsteuerregistrierungen und -Erklärungen

Seit 2021 kann ein Verkäufer der grenzüberschreitend an Nichtunternehmer verkauft, alle seine Umsatzsteuerverpflichtungen über das zentrale Steuerportal OSS („One-Stop-Shop“) abwickeln. Es ist also nicht erforderlich, in jedem Mitgliedstaat eine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu haben, außer in den Mitgliedstaaten, in denen der Verkäufer seinen Sitz hat oder in denen er ein Warenlager unterhält.

Dieses Verfahren kann auch von Verkäufern in Anspruch genommen werden, die nicht in der EU ansässig sind. Sobald sich ein Unternehmen für die Verwendung des OSS entscheidet, müssen alle Verkäufe in Mitgliedstaaten, in dem das Unternehmen kein Lager unterhält, mit Hilfe des OSS abgewickelt werden. Der Verkäufer, der das OSS-Verfahren nutzen möchte, muss dieses aktivieren in dem Land, in dem er ansässig ist. Deutsche Unternehmen müssen sich beim BZSt anmelden für den OSS.

Es besteht jedoch keine Verpflichtung, das OSS-Verfahren anzuwenden. Man kann sich auch dafür entscheiden, alles weiterhin über lokale Umsatzsteuer-Identifikationsnummern und -Erklärungen abzuwickeln.

Für den Verkauf von Waren aus Drittländern, die vor der Lieferung an den B2C-Kunden in der EU eingeführt werden müssen, gibt es ein anderes Portal (IOSS – siehe Punkt 3).

3. Für Fernverkäufe aus Nicht-EU-Ländern kann das IOSS-Portal genutzt werden

Neben der Anpassung der Regeln für den Versandhandel innerhalb der EU wird eine neue Regelung für den Versandhandel mit Waren aus Drittländern eingeführt, die vor der Lieferung an den Endverbraucher (B2C) in die EU eingeführt werden müssen.

Importe und anschließende Verkäufe an B2C-Kunden im Wert von bis zu 150 EUR werden über zwei vereinfachte Umsatzsteuer-Regelungen abgewickelt:

1. Über die IOSS-Einfuhrregelung im IOSS-Portal

In diesem Fall wird die Umsatzsteuer für Fernverkäufe aus Drittländern in dem EU-Land, in das die Waren geliefert wurden, über das Portal IOSS gemeldet und entrichtet. Bei der Einfuhr der Waren wird keine Umsatzsteuer erhoben und die Zollformalitäten werden erleichtert. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die IOSS-Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Verkäufers den Zollbehörden mitgeteilt wird. Eine Registrierung des Verkäufers im IOSS-Portal ist daher im Voraus erforderlich.

2. Umsatzsteuer durch andere entrichten lassen (bei zollfreien Waren)

Erfolgt die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in dem EU-Mitgliedstaat, in dem die Waren dem Endverbraucher geliefert werden, kann eine zweite Vereinfachung angewendet werden. Diese besteht in der Erledigung der Einfuhrformalitäten und der Entrichtung der Mehrwertsteuer im Namen des Käufers durch ein Postunternehmen, einen Kurierdienst oder einen anderen Zollagenten. Auf diese Weise bleibt dem Verkäufer die Registrierung für Umsatzsteuer-Zwecke in Belgien erspart.

In Belgien ist die Anwendung des Standardverfahrens zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer in den oben genannten Fällen selbstverständlich weiterhin möglich. Zwingend anzuwenden ist dieses Verfahren dann, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der oben genannten Sonderregelungen bei der Einfuhr nicht erfüllt sind (z.B. wenn der Sachwert der eingeführten Gegenstände 150 EUR übersteigt).

4. Es gibt keine Umsatzsteuerbefreiung für die Einfuhr von Kleinbetragssendungen

Wie in Punkt 3 beschrieben, gibt es vereinfachten Einfuhrverfahren für Warensendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR. Um zu verhindern, dass nicht in der EU ansässige Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren in der EU ansässigen Konkurrenten haben, wurde die Umsatzsteuerbefreiung für Sendungen bis zu 22 EUR abgeschafft.

Damit soll verhindert werden, dass nicht in der EU ansässige Unternehmen weiterhin mehrwertsteuerfrei in die EU liefern können und dadurch einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren in der EU ansässigen Konkurrenten haben.

5. Umsatzsteuerliche Pflichten für Onlineshops, Marktplätze und Plattformen

Auch für Online-Marktplätze und die dort tätigen Anbieter änderte sich im Jahr 2021 einiges, zumindest dann, wenn sie…

  1. Waren im Wert von 150 EUR oder weniger in die EU importieren (egal ob der Verkäufer seinen Sitz innerhalb oder außerhalb der EU hat), oder
  2. der Verkäufer nicht in der EU ansässig ist (in diesem Fall ist es unerheblich, ob die Waren aus einem Lager innerhalb oder außerhalb der EU stammen und welchen Wert sie haben).


In beiden Fällen wird fiktiv davon ausgegangen, dass der Betreiber der elektronischen Schnittstelle (also z.B. ein Webshop, Marktplatz oder eine Plattform), die Waren selbst vom Verkäufer erhalten und anschließend an den Kunden verkauft hat. Dies gilt sowohl für innerhalb als auch für außerhalb der EU ansässige elektronische Schnittstellen. Als „fiktiver Verkäufer“ sind die Betreiber im Land des Endverbrauchers zur Erhebung und Abführung der Umsatzsteuer auf diese Verkäufe verpflichtet. Wie in Punkt 1 und 3 erklärt, können dafür die Portale OSS und IOSS verwendet werden.

6. B2C-Dienstleistungen

Weitgehend automatisierte Dienstleistungen, die auf elektronischem Wege oder im Bereich der Telekommunikation, des Rundfunks oder des Fernsehens ohne oder mit nur geringer menschlicher Beteiligung erbracht werden, konnten die Umsatzsteuer schon seit 2015 über das seither bestehende zentrale Steuerportal MOSS („Mini-OSS“) melden und entrichten.

Seit 2021 gilt dieses im Übrigen auch für andere B2C-Dienstleistungen, die aufgrund der besonderen Ortsbestimmungsregeln in dem EU-Mitgliedstaat umsatzsteuerpflichtig sind, in dem der B2C-Kunde ansässig ist (z.B. Vermietung von Transportmitteln, Dienstleistungen im Zusammenhang mit Immobilien und Veranstaltungen usw.). Durch die Erweiterung des MOSS zu einem OSS können jetzt auch dort für diese Dienstleistungen die Umsatzsteuer gemeldet und entrichtet werden.

Unternehmen, die das OSS-Portal verwenden, um ihre Fernverkäufe oder (elektronischen) Dienstleistungen zu melden, müssen nicht mehr die Rechnungsstellungsvorschriften des Mitgliedstaats des Kunden berücksichtigen. Stattdessen gelten die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Identifizierung der OSS erfolgt.

Fazit für deutsche E-Commerce-Unternehmen

Je nach dem Wert und der Herkunft der Waren, die Sie in Belgien verkaufen möchten, und je nach der individuellen Situation Ihres Unternehmens in Bezug auf die Lagerung der Waren und die Buchhaltung kann die zu empfehlende Vorgehensweise unterschiedlich sein. Unsere belgische Kanzlei ist auf die Beratung von deutschen Unternehmen in Belgien spezialisiert und berät Sie und Ihr E-Commerce-Unternehmen gern auf Deutsch zu allen rechtlichen und steuerrechtlichen Fragen in Belgien.

KONTAKT

Sie haben Gesprächsbedarf?

Sollten Sie Fragen zu den belgischen Umsatzsteuerregelungen für E-Commerce-Unternehmen oder der Umsatzsteuer in Belgien haben, steht Ihnen unsere Kanzlei gern mit Rat und Tat zur Seite. Unser belgischer Rechtsanwalt Thomas Hermie ist Fachanwalt für Steuerrecht und hat sich auf die Beratung deutscher Unternehmen in Belgien spezialisiert. Nehmen Sie gern Kontakt mit RA Hermie auf via E-Mail t.hermie@euregio.law oder per Telefon +32 11 29 47 00.